Rechtstipps
(Zwangs-)Betreuung und psychiatrische Begutachtung
Die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung setzt im Regelfall voraus, dass das Betreuungsgericht zuvor das Gutachten eines Sachverständigen zur Erforderlichkeit einer Betreuung eingeholt hat.
Auswahl und Qualifikation des Sachverständigen
Die Auswahl des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Dies bedeutet, dass kein Anspruch auf die Bestellung eines bestimmten Sachverständigen besteht. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder jedenfalls Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. In der Regel sind dies Fachärzte für Psychiatrie. Ist der Sachverständige nicht Arzt für Psychiatrie, muss das Gericht prüfen und in der Entscheidung darlegen, ob er als Arzt über Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie im Sinne von § 321 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 FamFG verfügt. Wenn der Sachverständige insoweit nicht hinreichend qualifiziert ist, darf das von ihm erstattete Gutachten nicht verwertet werden (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 – XII ZB 197/24).
Die Person des Sachverständigen ist den Betroffenen vor der Begutachtung bekannt zu geben, damit dieser gegebenenfalls von seinem Recht, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, Gebrauch machen kann (BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – XII ZB 383; KG FamRZ 2007, 1043).
Begutachtung nach Aktenlage ist unzulässig
Der Sachverständige hat den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Er muss bereits vor der Untersuchung zum Sachverständigen bestellt worden sein. Eine Begutachtung nach Aktenlage ist grundsätzlich unzulässig. Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung oder Befragung erstattetes Gutachten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unverwertbar (BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2019 – XII ZB 444/18 und vom 11. Juli 2018 – XII ZB 399/17 und vom 24. Januar 2018 – XII ZB 292/17). Die Verwertbarkeit des Gutachtens hängt im Ergebnis aber nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt wird. Erforderlich aber auch ausreichend soll sein, dass der Sachverständige sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft hat (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – XII ZB 536/16). Hierfür kann u.U. eine bloße Inaugenscheinnahme ohne verbalen Kontakt ausreichend sein.
Inhaltliche Anforderungen an das Gutachten
Das Gutachten muss Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Das Gutachten muss so gefasst sein, dass das Gericht es auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin überprüfen kann. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann. Nur dann ist das Gericht in der Lage, sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerung zu bilden (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – XII ZB 286/11 –, Rn. 16, juris). Das Gutachten des Sachverständigen hat sich auch auf den Umfang der Aufgabenkreise und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme/Betreuung zu erstrecken. Natürlich muss das Gutachten auch eine Diagnose mit wissenschaftlicher Begründung enthalten, welche fachpsychiatrisch mit Hilfe des ICD-10 bzw. DSM-V zu konkretisieren ist.
Soll eine Betreuung gegen den Willen der betroffenen Person angeordnet werden (sog. Zwangsbetreuung), bedarf es der Feststellung der Aufhebung der freien Willensbestimmung, und zwar auf Grundlage eines aktuellen Sachverständigengutachtens (BGH, Beschluss vom 16. September 2015 – XII ZB 500/14). Eine nur erhebliche Einschränkung oder Beeinträchtigung der freien Willensbildung genügt nicht (BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2019 – XII ZB 444/18 und vom 7. März 2018 – XII ZB 540/17).
Zwangsmittel zur Durchsetzung der Begutachtung?
Liegen „hinreichende“ Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit vor, kann das Betreuungsgericht die zwangsweise Vorführung des Betroffenen zur Begutachtung anordnen, falls dieser sich einer Begutachtung durch den Sachverständigen verweigert. Dies setzt im Regelfall voraus, dass das Betreuungsgericht den Betroffenen zuvor persönlich angehört hat. Allerdings kann der Betroffene nicht zu einer aktiven Mitwirkung gezwungen werden, d.h. der Betroffene ist nicht verpflichtet, auf Frage des Sachverständigen zu antworten. Es besteht also eine Duldungsplicht, nicht jedoch eine Mitwirkungspflicht in Form der Beantwortung von Fragen.
Anwesenheitsrecht einer Begleitperson bei der Begutachtung?
Ob der Betroffene die Anwesenheit eines Dritten bei der Begutachtung verlangen kann, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Zum Teil ist dies von den Gerichten mit dem Argument verneint worden, die Anwesenheit einer Begleitperson könne die Untersuchung beeinflussen.
Nach Ansicht des OLG Zweibrücken haben Betroffene in Betreuungsverfahren das Recht, zu einer Untersuchung durch den Sachverständigen ihren Verfahrensbevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. März 2000 – 3 W 35/00).
Auch nach Ansicht des OLG Hamm steht einem medizinisch oder psychologisch zu Begutachtenden bei einem Untersuchungs- bzw. Explorationstermin das Recht auf Anwesenheit einer Begleitperson ohne eigenes Äußerungsrecht zu (OLG Hamm, Beschluss vom 3. Februar 2015 - 14 UF 135/14). Der Betroffene habe ansonsten keine Möglichkeit, gegenüber abstrakt immer denkbaren Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Nur durch die Hinzuziehung einer Begleitperson habe der Betroffene die Möglichkeit, ggfs. gegen die Unrichtigkeit der Darstellung des Explorationsgesprächs mit Aussicht auf Erfolg den Zeugenbeweis anzutreten. Die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsgangs durch die Anwesenheit einer Begleitperson in angemessener Hörweite habe hinter diesen Gesichtspunkt zurückzutreten. Ein eigenes Äußerungsrecht soll die Begleitperson aber nicht haben (OLG Hamm, a.a.O.).
Auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat unter dem Gesichtspunkt des „fairen Verfahrens“ einen generellen Ausschluss von Vertrauenspersonen des zu Untersuchenden bei der Untersuchung für unzulässig erachtet (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Februar 2006 – L 4 B 33/06 SB).
Bekanntgabe des Gutachtens
Die Verwertung eines Gutachtens als Entscheidungsgrundlage in einem Betreuungsverfahren setzt grundsätzlich voraus, dass dieses dem Betroffenen mit seinem vollen Wortlaut zur Verfügung gestellt wird und den Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – XII ZB 536/16). Wird das Gutachten dem Betroffenen nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 – XII ZB 393/18).
Von einer vollständigen schriftlichen Bekanntgabe kann nur abgesehen werden, wenn zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden wird. In diesem Fall muss aber dem nicht anwaltliche vertretenen Betroffenen ein sog. Verfahrenspfleger bestellt werden (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – XII ZB 43/11).
Fazit
Die Anordnung einer Betreuung setzt neben der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Hauptsacheverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraus. Dieses ist dem Betroffenen grundsätzlich in seinem vollen Wortlaut mit der Möglichkeit zur Stellungnahme vor einer gerichtlichen Entscheidung bekannt zu geben.
Das Sachverständigengutachten ist in der Regel die wichtigste Grundlage für die Entscheidung des Gerichts, ob eine Betreuung angeordnet wird oder nicht. Wer sich gegen die Anordnung einer unerwünschten Betreuung (sog. Zwangsbetreuung) wehren möchte, sollte sich daher frühzeitig fachkundiger anwaltlicher Hilfe bedienen, nach Möglichkeit noch vor einer Exploration durch den Sachverständigen.
Betreuervergütung und Gerichtskosten
Die Vergütung der (Berufs-)Betreuer ist im Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) geregelt. Die Vergütung der Berufsbetreuer ist in der Regel pauschaliert, d.h. es gibt (seit dem 27.07.2019) pro „Fall“ und pro Monat eine sog. Fallpauschale (derzeit zwischen 62,- € und 486,- €), deren Höhe abhängig ist von der Qualifikation der Betreuer, der Dauer der Betreuung und den Vermögensverhältnissen („Mittellosigkeit“) sowie der Wohnform der Betreuten in einer stationären Einrichtung (z.B. Heim) oder gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform. In besonderen Situationen kann es noch Zuschläge geben, z.B. bei der Verwaltung großer Vermögen. Die Pauschalierung der Betreuervergütung hat (leider) zur Folge, dass Qualität und Umfang der Tätigkeit der Betreuer für die Höhe von deren Vergütung unerheblich sind.
Im Gegensatz zu Berufsbetreuern erhalten ehrenamtliche Betreuer in der Regel keine Vergütung, sondern nur eine (pauschale) Aufwandsentschädigung. Diese beträgt aktuell 425,- € pro Betreutem pro Jahr. Für die Jahre 2024 und 2025 können Inflationsausgleichs-Sonderzahlungen in Höhe von 24,- € pro Betreuung verlangt werden.
Bei sog. Mittellosigkeit (§ 1880 BGB) der Betroffenen (der Vermögensfreibetrag beträgt derzeit 10.000,- €, die Höhe des Einkommens ist unerheblich) werden Betreuervergütung bzw. Auslagenpauschale aus der Staatskasse gezahlt, ansonsten von den Betreuten.
Gerichtskosten fallen nicht an, wenn Vermögen der Betreuten 25.000,- €, mit Ausnahme eines selbst bewohnten angemessenen Eigenheims (§ 90 Absatz 2 Nummer 8 SGB XII), nicht übersteigen.
Seit dem 1. Januar 2023 soll das Betreuungsgericht die Betroffenen bei Einleitung eines Betreuungsverfahrens über die aus einer Betreuung möglicherweise folgenden Kosten unterrichten.
Betreuerwechsel und Betreuerentlassung
Nicht selten sind Betreute mit der Tätigkeit ihres Betreuers unzufrieden und wünschen einen Betreuerwechsel. Allerdings besteht nur in bestimmten Fällen ein Rechtsanspruch auf einen Betreuerwechsel bzw. eine Betreuerentlassung.
Das Betreuungsgericht „hat“ gemäß § 1868 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Betreuer bei fehlender Eignung zu entlassen. Dies kann z.B. bei schweren Pflichtverletzungen seitens des Betreuers der Fall sein. Pflichtwidrigkeiten des Betreuers können daher zwar auf eine fehlende Eignung des Betreuers hindeuten, sie müssen aber nicht zwingend dazu führen. Nach § 1868 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB hat das Betreuungsgericht den Betreuer auch dann zu entlassen, wenn ein „anderer wichtiger Grund“ für die Entlassung vorliegt. Ein solcher „anderer wichtiger Grund“ liegt z.B. vor, wenn der Betreuer eine erforderliche Abrechnung vorsätzlich falsch erteilt oder den erforderlichen persönlichen Kontakt mit dem Betreuten nicht gehalten hat. Generell gilt, dass eine Betreuerentlassung nach § 1868 Abs. 1 BGB immer nur als letztes Mittel („ultima ratio“) in Betracht kommt.
Gemäß § 1868 Abs. 3 BGB „soll“ das Betreuungsgericht einen Berufsbetreuer entlassen, wenn der Betreute zukünftig ehrenamtlich betreut werden kann. Anders als in § 1868 Abs. 1 BGB („hat“ zu entlassen) ist die Entlassung nicht zwingend formuliert. Vielmehr ist dem Gericht ein gewisses Ermessen einzuräumen.
Nach § 1868 Abs. 5 BGB „kann“ das Betreuungsgericht den Betreuer entlassen, wenn der Betreute einen mindestens gleich geeigneten, übernahmebereiten Betreuer vorschlägt. Der Betreute muss eine individuell bestimmte Person vorgeschlagen. Der Vorschlag muss durch den Betreuten erfolgen. Vorschläge dritter Personen (Angehörige oder Vertrauenspersonen des Betreuten) sind von § 1868 Abs. 5 BGB nicht erfasst. Der Wunsch/Vorschlag des Betreuten ist vom Betreuungsgericht unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betreuten zu berücksichtigen. Aber selbst dann, wenn eine mindestens gleich geeignete und übernahmebereite Person vorgeschlagen wird, steht ein Betreuerwechsel nach dieser Vorschrift im Ermessen des Gerichts, d.h. das Gericht „kann“ einen Betreuerwechsel vornehmen, muss es aber nicht.
Ist im Rahmen einer Verlängerungsentscheidung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nicht nach §§ 1868, 1869 BGB, sondern nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1816 BGB, d.h. die Betroffenen haben ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Betreuungsperson, d.h. das Gericht hat in der Regel kein Ermessen bei der Betreuerauswahl sondern diejenige Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht.
Tipp: Sofern möglich sollte ein Betreuerwechsel im Rahmen einer Verlängerungsentscheidung beantragt werden, da der Betreuerwechsel dann nicht im Ermessen des Gerichts („kann“) steht und leicht abgelehnt werden kann. Vielmehr ist dem beantragten Betreuerwechsel zu entsprechen, sofern die vorgeschlagene bzw. gewünschte Betreuungsperson als geeignet anzusehen und zur Übernahme der Betreuung bereit ist.
Ehegatten(not)vertretungsrecht
Mit der zum 1. Januar 2023 In-Kraft-getretenen Reform des Betreuungsrechts wurde mit dem „Notvertretungsrechts“ für Ehegatten (§ 1358 BGB) ein völlig neues Instrument geschaffen.
Können Ehegatten Angelegenheiten der Gesundheitssorge aufgrund Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr selbst ausüben, ist der andere Ehegatte berechtigt, für den vertretenen Ehegatten in Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe einzuwilligen und ärztliche Aufklärungen entgegen zu nehmen. Außerdem sind sie befugt, Behandlungsverträgen, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation oder Pflege abzuschließen und durchzusetzen sowie bestimmte Zahlungsansprüche gegenüber Dritten (v.a. Versicherungsleistungen) geltend zu machen. Wünsche des vertretenen Ehegatten nach Maßgabe des § 1821 Abs. 2-4 BGB bzw. einer Patientenverfügung sind zu beachten. Für einen Zeitraum von maximal 6 Wochen kann können auch – mit Genehmigung des Betreuungsgerichts - freiheitsbeschränkende Maßnahmen wie Bettgitter und Fixierungen angeordnet werden. Freiheitsentziehende Unterbringungen sowie Zwangsbehandlungen können mit Hilfe des Ehegattennotvertretungsrechts jedoch nicht angeordnet werden.
Das Ehegattennotvertretungsrecht ist zeitlich befristet und gilt maximal 6 Monate ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen. Eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens bedarf es nicht. Vielmehr entsteht das Ehegattennotvertretungsrecht Kraft Gesetztes, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu welchem ein Arzt den Eintritt der Voraussetzungen ebenso wie den Zeitpunkt des Eintritts schriftlich bestätigt und dem anderen Ehegatten aushändigt.
Das Ehegattennotvertretungsrecht ist ausgeschlossen, wenn Ehegatten getrennt leben oder der vertretene Ehegatte wieder selbst einwilligungsfähig ist. Gleiches gilt, wenn im Zentralen Vorsorgeregister der Bundenotarkammer (ZVR) ein ausdrücklicher Widerspruch gegen das Ehegattennotvertretungsrecht eingetragen ist oder für die Aufgabenbereiche, welche vom Ehegattennotvertretungsrecht umfasst sind, eine Vorsorgevollmacht besteht oder ein Betreuer eingesetzt wurde.
Tipp: Lieber mit Hilfe einer Vorsorgevollmacht selbst eine Vertretungsperson und deren Befugnisse auswählen bzw. festlegen. Dies kann natürlich auch der eigene Ehegatte sein.
Erforderlichkeitsgrundsatz im Betreuungsrecht
Wird eine Betreuung eingerichtet, legt das Gericht den Umfang der Betreuung durch Anordnung sog. Aufgabenbereiche fest.
Nach § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB darf ein Aufgabenbereich nur angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist. Mit dieser durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882) mit Wirkung zum 1. Januar 2023 eingeführten Vorschrift wurde der bislang in § 1896 Abs. 2 BGB enthaltene Grundsatz der Erforderlichkeit einer Betreuung ausdrücklich auch auf den Umfang der Betreuung erstreckt. Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass neben der Prüfung der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung im Hinblick auf das Vorliegen einer Vorsorgevollmacht oder anderer Hilfen (vgl. § 1814 Abs. 3 BGB) auch für jeden einzelnen Aufgabenbereich eine Erforderlichkeitsprüfung durchzuführen ist (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 234).
Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu der bis zum 31. Dezember 2022 gültigen Vorschrift des § 1896 Abs. 2 BGB, wonach sich die Erforderlichkeit einer Betreuung nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben kann, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Anordnung eines bestimmten Aufgabenbereichs (st. Rspr. zu § 1896 Abs. 2 BGB, vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2021 - XII ZB 73/21 - FamRZ 2021, 1737 Rn. 7 und vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 153/20 - FamRZ 2021, 385 Rn. 22 mwN). Daher müssen Betreuungsbedürftigkeit und Betreuungsbedarf gegenständlich nicht deckungsgleich sein. Betreuungsmaßnahmen dürfen vielmehr nur in dem Umfang angeordnet werden, in dem Betreuungsbedarf besteht, auch wenn darüber hinaus Betreuungsbedürftigkeit gegeben sein mag (vgl. BeckOGK/Schmidt-Recla [Stand: 1. Januar 2023] BGB § 1815 Rn. 3).
Dies gilt auch für die durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts eingeführte Vorschrift des § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB. Notwendig ist stets die konkrete tatrichterliche Feststellung, für welche Aufgabenbereiche die Bestellung eines Betreuers - auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit - erforderlich ist, weil der Betroffene Unterstützungsbedarf beim rechtlichen Handeln hat (Jürgens/Brosey Betreuungsrecht 7. Aufl. § 1815 BGB Rn. 13 mwN) und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (st. Rspr. zu § 1896 Abs. 2 BGB, vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2021 - XII ZB 73/21 - FamRZ 2021, 1737 Rn. 7 und vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 153/20 - FamRZ 2021, 385 Rn. 22 mwN).
Die ausdrückliche Erwähnung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB soll verhindern, dass Betreuer*innen formularmäßig und ohne eingehende Prüfung verhältnismäßig umfangreiche Aufgaben zugewiesen werden.
Kontrollbetreuer und Vollmachtswiderruf
Wann kann das Betreuungsgericht einen sog. Kontrollbetreuer einsetzten?
Normalerweise steht eine Vorsorgevollmacht der Anordnung einer Betreuung entgegen, denn gemäß § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB (bis 31. Dezember 2022: § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) darf ein Betreuer nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlt es aber, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten „gleichermaßen“ besorgt werden können (§ 1814 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB; bis 31. Dezember 2022: § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Trotz Vorsorgevollmacht kann eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen nach dessen Wünschen zu besorgen, insbesondere, wenn zu befürchten ist, dass er die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt. (BGH, Beschluss vom 29. März 2023 – XII ZB 515/22 –, Rn. 15, juris).
Die Notwendigkeit einer Betreuung kann aber nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seines Gesundheitszustandes seinen Bevollmächtigten nicht mehr selbst überwachen kann. Voraussetzung für die Anordnung einer Kontrollbetreuung ist neben dem Unvermögen des Betroffenen, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen, die Feststellung eines konkreten Überwachungsbedarfs. Ob ein Überwachungsbedarf besteht, hat sich nach dem Willen des Vollmachtgebers zu richten und danach, welche Vorstellungen und Erwartungen er an die Tätigkeit des Bevollmächtigten gerichtet hatte. Maßgeblich sind also nicht objektive Kriterien oder das Wohl des Vollmachtgebers, vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt. Voraussetzung ist also, dass die Tätigkeit des Bevollmächtigten von dem abweicht, was sich der Vollmachtgeber vorgestellt hat (vgl. BT-Drs. 19/24445, S. 246). Aber selbst dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Bevollmächtigte nicht in der Lage ist, die Angelegenheiten entsprechend dem erklärten oder in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen auszuüben, ist vor der Anordnung einer sog. Vollbetreuung im Hinblick auf den mit Verfassungsrang ausgestatteten Erforderlichkeitsgrundsatz zu prüfen, ob zur Behebung dieses Mangels die Anordnung einer Kontrollbetreuung ausreicht (§§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 Nr. 2 BGB; bis 31. Dezember 2022: § 1896 Abs. 3 BGB). Denn sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2020 - XII ZB 368/19 - FamRZ 2020, 629 Rn. 12 und vom 29. März 2023 – XII ZB 515/22 –, Rn. 21, juris).
Die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung kann auch nicht allein damit begründet werden, dass die zu regelnden Angelegenheiten durch einen (Berufs-)Betreuer möglicherweise besser als durch den Bevollmächtigten erledigt werden könnten.
Die Auswahl des Bevollmächtigten obliegt der Entscheidung des Vollmachtgebers, die grundsätzlich auch dann zu respektieren ist, wenn - bei objektiver Betrachtung - die zu regelnden Angelegenheiten durch einen Betreuer möglicherweise besser erledigt werden könnten. Denn in der Regel kann davon ausgegangen werden, dass der Vollmachtgeber die Fähigkeiten der Person, der er eine Vorsorgevollmacht erteilt, bedacht hat. Deshalb kann z.B. auch ein Bevollmächtigter, der mit der eigenverantwortlichen Planung und Organisation einer pflegerischen Versorgung des Betroffenen überfordert wäre, sich diesbezüglich aber von Vorschlägen eines zugelassenen Pflegedienstes leiten lässt, nur dann als ungeeignet angesehen werden, wenn tragfähige Gründe dafür festgestellt werden können, dass er aufgrund der Art seiner Auseinandersetzung mit den Vorschlägen des Pflegedienstes die Angelegenheiten des Betroffenen nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der Betroffenen besorgt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2022 - XII ZB 212/22 - FamRZ 2023, 308 Rn. 14 mwN).
Unter Umständen ist es daher empfehlenswert, schon in der Vorsorgevollmacht einen Kontrollbevollmächtigten einzusetzen oder einen Kontrollbetreuer zu benennen.
Wird ein Kontrollbetreuer eingesetzt, kann diesem der Aufgabenkreis Geltendmachung der Rechte des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten oder Dritten (z.B. Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche) übertragen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Kontrollbetreuer dann sogar eine Vorsorgevollmacht ganz oder teilweise widerrufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Festhalten an der Vollmacht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine künftige Verletzung der Person oder des Vermögens des Vollmachtgebers zu besorgen ist und mildere Mittel zur Abwehr dieser Gefahr nicht geeignet erscheinen. Allerdings bedarf der Widerruf einer Vorsorgevollmacht der Genehmigung des Betreuungsgerichts, welche in diesem Fall den Vollmachtgeber zuvor persönlich anzuhören hat.
Seit dem 1. Januar 2023 besteht für das Betreuungsgericht die Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht vorübergehend außer Kraft zu setzen und so einen eventuellen Missbrauch zu prüfen, ohne die Vollmacht gleich komplett zu widerrufen zu müssen. So kann das Betreuungsgericht anordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und die Vollmachtsurkunde an den (Kontroll-)Betreuer herauszugeben hat, wenn die dringende Gefahr besteht, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet oder der Bevollmächtigte den (Kontroll-)Betreuer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, so hat das Betreuungsgericht die Anordnung wieder aufzuheben und den (Kontroll-)Betreuer zu verpflichten, die Vollmachtsurkunde wieder dem Bevollmächtigten herauszugeben, wenn die Vollmacht nicht erloschen ist. Durch die Möglichkeit der Suspendierung der Vorsorgevollmacht wurde dem Betreuungsgericht ein neues Instrument an die Hand gegeben werden, um in Zweifelsfällen bei einem möglichen Missbrauch die Notwendigkeit eines Widerrufs der Vollmacht erst gründlich prüfen und trotzdem in eilbedürftigen Fällen schnell reagieren zu können.
Maßstab des Betreuerhandelns (sog. Wunschbefolgungspflicht)
Damit Betroffene ihr Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach ihren Wünschen gestalten können, haben Betreuer*innen alle erforderlichen Tätigkeiten vorzunehmen und so zu besorgen, dass dies auch möglich wird. Dabei sollen Betreuer*innen die Betreuten dabei unterstützen, dass diese ihre Angelegenheiten selbst besorgen. Nur wenn dies nicht ausreicht, dürfen Betreuer*innen von ihrem Vertretungsrecht Gebrauch machen.
Maßstab des Betreuerhandelns ist somit, anders als nach dem bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Betreuungsrecht, nicht mehr das – wie auch immer definierte – sog. Wohl der Betroffenen, sondern deren Wünsche (sog. Wunschbefolgungspflicht, wird auch als „Magna Charta“ des Betreuungsrechts bezeichnet wird).
Um diese Aufgabe erfüllen zu können müssen Betreuer*innen die Wünsche der Betreuten feststellen. Bei der Feststellung spielt es zunächst keine Rolle, ob sie auf einer freien Willensbildung beruhen oder nicht! Ein Abweichen von den Wünschen der Betroffenen ist nur zulässig, wenn die Wunschbefolgung entweder unmöglich ist oder eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen der Betroffenen zur Folge hätte und die Betroffenen diese Gefahr krankheitsbedingt nicht erkennen bzw. nicht nach dieser Einsicht handeln können. Dies gilt auch, wenn die Wunschbefolgung Betreuer*innen nicht zuzumuten ist.
Fazit: nur von solchen Wünschen, die krankheitsbedingt gebildet sind und deren Befolgung die Betreuten schädigen würden, darf unter bestimmten Voraussetzungen zu seinem/ihrem Schutz abgewichen werden.
Unbetreubarkeit
An der Erforderlichkeit einer Betreuung fehlt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – trotz möglicherweise bestehendem Handlungsbedarf - auch dann, wenn die Betreuung - aus welchem Grund auch immer - keinerlei Änderung der Situation des Betroffenen herbeizuführen geeignet ist. Daher scheidet die Anordnung einer Betreuung aus, wenn absehbar ist, dass der mit der Bestellung des Betreuers erstrebte Erfolg nicht zu erreichen ist, weil der Betreuer seine Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen und zum Wohl des Betroffenen nichts bewirken kann. Davon kann im Einzelfall ausgegangen werden, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig ist, also eine "Unbetreubarkeit" vorliegt (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2013 - XII ZB 460/13 - FamRZ 2014, 466 Rn. 7 mwN und vom 28. Januar 2015 – XII ZB 520/14 –, Rn. 11, juris).
Verfahrensfähigkeit in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren
Können unter Betreuung stehende geschäftsunfähige Personen selbst wirksam einen Rechtsanwalt bevollmächtigen?
Diese Frage ist von zentraler Bedeutung, da es den Betroffenen häufig nur mit anwaltlicher Vertretung möglich ist, ihre Rechte im Betreuungsverfahren effektiv wahrzunehmen. Betroffene, die unter Betreuung stehen, aber (noch) geschäftsfähig sind, können immer selbst einen Rechtsanwalt wirksam mit ihrer Interessenwahrnehmung beauftragen und bevollmächtigen. Geschäftsunfähige hingegen benötigen hierzu grundsätzlich die Zustimmung bzw. Genehmigung ihres gesetzlichen Betreuers.
Nach den §§ 275, 317 FamFG sind Betroffene aber sowohl in Betreuungsverfahren als auch in Unterbringungsverfahren ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Dies bedeutet, dass auch geschäftsunfähige Betroffene in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren die Befugnis haben, jederzeit selbst einen (anwaltlichen) Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen oder selber Anträge stellen sowie Rechtsmittel, wie z.B. eine Beschwerde, gegen Entscheidungen des Betreuungsgerichts einlegen können.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht die Verfahrensfähigkeit unabhängig von der Schwere der psychischen oder physischen Beeinträchtigung des Betroffenen (BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – XII ZB 317/13). Zweck dieser Vorschriften ist es, die Rolle des Betroffenen als eigenständigen Verfahrensbeteiligten zu sichern und so zu verhindern, dass der Betroffene zum bloßen Objekt eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens wird (BT-Drs. 11/4528, S. 89 und 170). Zur Realisierung des Schutzzwecks des § 275 FamFG ist zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass auch der der Vollmachtserteilung zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsvertrag mit einem Rechtsanwalt wirksam abgeschlossen werden kann, mit der Folge, dass dieser auch einen Vergütungsanspruch erwirbt (vgl. hierzu u.a. OLK Koblenz, Urteil vom 13.02.2014 – 6 U 747/13). Anderenfalls wäre die durch § 275 FamFG garantierte Verfahrensfähigkeit ein stumpfes Schwert.
Fazit: Betroffene können im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren unabhängig von einer eventuell bestehenden Geschäftsunfähigkeit immer selbst Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen oder einen (anwaltlichen) Verfahrensbevollmächtigten bestellen. Eine Zustimmung oder Genehmigung durch den Betreuer ist nicht erforderlich. Dies gilt sogar dann, wenn ein Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Vermögenssorge angeordnet worden ist oder dem Betreuer der Aufgabenkreis „Widerruf von Vollmachten“ übertragen worden ist.
Verfahrenspfleger
In bestimmten Fällen sieht das Betreuungsrecht die Einsetzung eines sog. Verfahrenspflegers vor. Dieser hat die Aufgabe, die Wünsche des Betroffenen festzustellen und im Betreuungsverfahren „einzubringen“. Außerdem sollen Verfahrenspfleger die Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und den möglichen Ausgang des Betreuungsverfahren informieren und ggfs. bei Ausübung ihrer Rechte „unterstützen“. Verfahrenspfleger sind aber anders als z.B. selbst gewählte (anwaltliche) Verfahrensbevollmächtigte keine subjektiven Interessevertreter der Betroffenen, also an deren Weisungen und Wünsche nicht gebunden.
Verfahrenspfleger sind hinsichtlich neuer Aufträge vom Betreuungsgericht abhängig und somit Teil der „Betreuungsmaschinerie“. Diese Anhängigkeit vom Betreuungsgericht führt leider häufig dazu, dass Verfahrenspfleger keine echte Hilfe für die Betroffenen sind, sondern unkritisch Betreuungsanordnungen gegen den Willen der Betroffenen oder beabsichtigte Zwangsmaßnahmen wie Unterbringungen oder Zwangsbehandlungen befürworten, weil sie es ich mit ihrem Auftraggeber (= Betreuungsgericht) nicht verscherzen wollen.
Wer einen „echten“ Rechtsanwalt möchte, der für die eigenen Interessen kämpft, muss daher selbst einen Rechtsanwalt beauftragen (und bezahlen). Die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwaltes führt in der Regel auch dazu, dass ein Verfahrenspfleger nicht bestellt wird oder ein bereits erfolgte Bestellung wieder aufgehoben werden muss.
Vorschlagsrecht bei der Betreuerauswahl
Die Kriterien für die Auswahl des Betreuers richten sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts am 1. Januar 2023 nach § 1816 BGB. Wünscht der Betreute eine bestimmte Person als Betreuer, ist diesem Wunsch zu entsprechen. Lehnen Betroffene eine bestimmte Person als Betreuer ab, so ist diesem Wunsch ebenfalls zu entsprechen, es sei denn, die Ablehnung bezieht sich nicht auf die Person des Betreuers, sondern auf die Betreuerbestellung als solche. Ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB aF räumt das Gesetz dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers insoweit kein Ermessen ein.
Der Wille der Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die gewünschte Person zur Führung der Betreuung nicht geeignet oder bereit ist. Zur Ablehnung eines Betreuervorschlags bedarf es der Feststellung einer konkreten Gefahr, der Vorgeschlagene werde das Amt nicht zum Wohle des Betroffenen ausüben. Bloße allgemeine Befürchtungen und Vermutungen reichen nicht aus. Bloße Verdächtigungen in Bezug auf die mangelnde Eignung des Vorgeschlagenen dürfen nicht unüberprüft übernommen werden (Bieg in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 1816 BGB (Stand: 15.11.2022), Rn. 17).
Unterbreiten Betroffene keinen Betreuervorschlag oder ist die vorgeschlagene Person ungeeignet, sind bei der Betreuerauswahl die familiären Beziehungen, die persönlichen Bindungen und die Gefahr von Interessenkonflikten zu berücksichtigen.
Weiterhin ist der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung gegenüber einer Berufsbetreuung zu beachten, d.h. ein Berufsbetreuer soll nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine geeignete Person zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung zur Verfügung steht.
Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR)
Das Zentralen Vorsorgeregister (https://www.vorsorgeregister.de/) dient dazu, Betreuungsgerichte über das Vorhandensein von Vorsorgeregelungen zu informieren. Hierdurch können überflüssige Betreuungen vermieden und die schnelle Auffindbarkeit von Vorsorgeverfügungen im Notfall gewährleistet werden. Seit dem 1. Januar 2023 können auch behandelnde Ärzte das Zentrale Vorsorgeregister abrufen, wenn der Patient nicht ansprechbar und eine Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist.
Im Zentralen Vorsorgeregister können Vorsorgeurkunden wie Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen, Betreuungsverfügungen und Widersprüche gegen das Ehegattennotvertretungsrecht registriert werden. Seit 2004 wurde hiervon über 6 Millionen Mal Gebrauch gemacht.
Für die Registrierung von Vorsorgeregelungen fällt (einmalig) eine geringe Gebühr pro Registrierung an, unabhängig davon, ob Sie eine oder mehrere Vorsorgeangelegenheiten registrieren. Die Erteilung von Auskünften, die Änderung bereits angelegter Daten sowie die Löschung einer Registrierung sowie sind hingegen gebührenfrei.